Das enru-Quiz zur Energiestrategie-Veranstaltung an der FHNW

Martin Fierz, 25.5.2017

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Am 6.Mai fand an der FHNW eine Veranstaltung zur Energiestrategie 2050 statt. Referenten waren Kurt Bisang vom Bundesamt für Energie, Thomas Nordmann, ein Solarpionier, sowie Irene Aegerter, Physikerin und Kernenergiebefürworterin. Ich habe die Veranstaltung besucht und habe mich über einige Aussagen etwas gewundert. Da ich in meinem Unterricht generell versuche, das kritische Denken etwas zu schulen, habe ich aus den wunderlichen Aussagen ein kleines Quiz zum Fach "enru" gemacht - schauen Sie ob Sie mehr wissen bzw. klarer denken können als die Experten!
Anmerkung: natürlich wurden in den Vorträgen auch sehr viele gute und richtige Aussagen gemacht, und es ist ein wenig gemein hier nur eine "worst of" Selektion wiederzugeben. Alle Folien von allen Referaten sind auf dem EUT-Blog zu finden.
Disclaimer: Alle Aussagen hier geben lediglich die persönliche Meinung des Autors wieder. Sie sind weder eine offizielle Position des Studiengangs EUT noch der FHNW! Alle Fehler auf dieser Seite sind von mir!

Wissen Sie worüber wir abstimmen?

Ein Ziel der Energiestrategie ist es, bis 2035 den Energieverbrauch pro Kopf um 43% zu senken.
a) Ist damit Primärenergie, Bruttoenergie oder Endenergie gemeint?
Lösung Im Abstimmungsbüchlein steht nichts dazu. Laut Auskunft von Herrn Bisang per Mail ist Endenergie gemeint.

b) Spielt es eine Rolle ob Primärenergie, Bruttoenergie oder Endenergie gemeint ist?
Lösung Natürlich! Es spielt eine grosse Rolle, wie Sie sofort sehen wenn Sie Aufgabe c) lösen! Darum ist es auch eigentlich schockierend dass es nicht deklariert ist im Abstimmungsbüchlein!

c) Wenn wir sämtliche AKW der Schweiz durch Windturbinen, Photovoltaikanlagen und Geothermie-Kraftwerken ersetzen, wie verändert sich der Primärenergieverbrauch der Schweiz in Prozent, und wie stark der Endenergieverbrauch in Prozent? Als Energiefachperson können Sie das natürlich ganz leicht schätzen ohne in der Statistik nachzulesen!
Lösung Der Endenergieverbrauch ändert sich nicht. Der Primärenergieverbrauch hingegen wird deutlich kleiner, weil die AKW grosse Umwandlungsverluste haben. Wir schätzen: der Primärenergieverbrauch der Schweiz ist ca. 1EJ; ein Viertel davon ist Strom, d.h. 250PJ. Von diesem Viertel ist 1/3 von den AKW, d.h. 80PJ. Da AKWs einen Wirkungsgrad von ca. 1/3 haben, gehen 160PJ bei der Umwandlung verloren. Der Primärenergieverbrauch der Schweiz würde damit um ca. 16 Prozent sinken, und ein grosser Teil der Energiestrategie wäre umgesetzt - wenn denn die Primärenergie gemeint gewesen wäre.

Weiss Doris Leuthard worüber wir abstimmen?

a) In einem Interview mit der Coop-Zeitung hat Doris Leuthard gesagt: "Seit 2000 ist der Energieverbrauch pro Kopf um 14.5 Prozent zurückgegangen - und dies trotz Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum." - was würden Sie ihr sagen wenn Sie sie zufällig treffen würden?
Lösung Das Bevölkerungswachstum wird durch die Normierung pro Kopf herausgerechnet....

b) In einem Interview mit dem Tagi online hat Doris Leuthard gesagt: "Zürich hat es immerhin geschafft, von 5000 auf 4000 Watt herunterzukommen, ohne dass die Lebensqualität oder die individuelle Freiheit eingeschränkt worden wären". Was sagen Sie dazu?
Lösung Wenn Sie die Zahl 5000 Watt schon hören, sollten Sie denken dass dies wohl eher der Primärenergieverbrauch ist - und genau so ist es, die Zahlen die Frau Leuthard zitiert beziehen sich auf den Primärenergieverbrauch - die Grafik dazu finden Sie hier. Ein wesentlicher Anteil der Reduktion fand sprunghaft von 2006 auf 2007 statt - weil der Standardstrommix auf Naturstrom umgestellt wurde und nun viel weniger Strom aus Kernenergie bezogen wurde, und mehr aus Wasserkraft. Bezüglich Endenergie, die für die Ziele der Energiestrategie relevant wäre, passiert bei einem solchen Umstieg natürlich nichts.

Massnahmenpaket Mobilität

Seit ich denken kann ist das Auto eine Art heilige Kuh in der Schweiz. Auch beim Energieverbrauch will man sich nicht mit den Autofahrern anlegen, denn es hat einfach zuviele davon in der Schweiz als dass man sie als Politiker verärgern dürfte - die Abwahl wäre vorprogrammiert. Herr Bisang hat die folgende Folie zur Reduktion der CO2-Emissionen der Personenwagen gezeigt:

Die CO2-Emissionen von Neuwagen sollen in 5 Jahren von 130 auf 95 g/km sinken.
Ist die Illustration auf der Folie gut oder schlecht?
Lösung Die Illustration ist miserabel! Der angestrebte Rückgang von 130 auf 95 g/km entspricht -27 %. Das grüne Auto auf der Folie ist aber etwa 3x kürzer als das rote, also -66%, und unser Hirn nimmt in solchen Darstellungen die Fläche und nicht die Länge wahr - das grüne Auto hat nur noch etwa einen Neuntel der Fläche des roten Autos, was eine grosse Übertreibung des Rückgangs der CO2-Emissionen darstellt.

Wie realistisch ist der Rückgang um 27% in 5 Jahren?
Lösung Bereits heute wird bei den Verbrauchsangaben betrogen dass sich die Kotflügel biegen. Die realen Verbrauchswerte sind ca. 40% höher als die offiziell angegebenen Werte, und die Abweichung steigt laufend an. Bei den Hybridfahrzeugen ist es noch schlimmer, da der Stromverbrauch nicht mitberechnet wird. Die extreme Reduktion (-30% in nur 5 Jahren) lässt sich wohl nur durch noch grösseren Betrug, z.B. durch vermehrten Einsatz von Hybridfahrzeugen erreichen. Hybridfahrzeuge sind zwar effizienter als herkömmliche Fahrzeuge, aber der Unterschied ist in der Realität viel kleiner als auf dem Prüfstand in der offiziellen Messung.

Wenn ich mit dem Velo an den Zürcher Hauptbahnhof fahre, dann sehe ich in der Zwischenzeit schon des öfteren einen Tesla Model X: Bin ich umweltfreundlich?
Wie viele Autos sehen Sie auf dem Bild?
Lösung Die richtige Antwort lautet: 2! Bevor Sie jetzt zur Flasche greifen um das gewünschte Resultat zu erzielen, sollten Sie weiterlesen!

Wie viel CO2 emittiert der Tesla X (2.5 Tonnen, ca. 500 PS, 0-100 km/h in 3.1 Sekunden) offiziell in g/km?
Lösung Die offizielle Antwort lautet: 0! Es fährt mit Strom! Also ist es sauber! Und da die EU die Einführung von sauberen Autos fördern will, dürfen sie bei der Berechnung der Emissionen der Fahrzeugflotte in den Jahren 2020-2023 doppelt gezählt werden (und die Schweiz übernimmt diese Regelung natürlich). Noch "besser" machen es die USA: dort dürfen diese Autos sogar vierfach gezählt werden - womit auch der Griff zur Flasche nichts mehr nützt.

Jetzt wird es etwas schwieriger: Wie viel CO2 emittiert dieses Ungetüm wirklich in g/km? Suchen Sie seinen Verbrauch im Internet, und multiplizieren Sie den Verbrauch mit den CO2-Emissionen eines Kraftwerks.
Lösung Laut der Autoumweltliste braucht ein solches Auto 20.8 kWh auf 100km und emittiert dabei 5.9 g CO2. Vermutlich ist der Verbrauch in der Realität deutlich höher (s. oben), aber ich rechne weiter und erinnere mich aus einer enru-Übungsaufgabe daran, dass in einem Kohlekraftwerk ca. 1000 g CO2/kWh entstehen. Damit ergäbe sich eine spezifische CO2-Emission von 208g/km; weit weg von den 95 g/km.

Aber wenn ich meinen Tesla X mit Naturstrom betreibe?
Lösung Dann verdient ihr Stromlieferant mehr Geld, aber die Emissionen bleiben genau gleich hoch! Bald können wir das 500-jährige Jubiläum von Martin Luther's 95 Thesen gegen den Ablasshandel feiern, hoffentlich dauert es nicht auch 500 Jahre bis wir denselben Betrug bei der Klimaerwärmung beenden - denn soviel Zeit bleibt uns nicht.

Solarenergie

Herr Nordmann hat einen Vergleich der installierten Photovoltaikleistung zwischen verschiedenen Ländern auf folgender Folie gezeigt:

Seine zwei Aussagen dazu waren:
a)"Die Schweiz hinkt hinterher - in China wurden letztes Jahr 35 GW zugebaut, in der Schweiz lediglich 250 MW". Was sagen Sie dazu?
Lösung Da es in China etwa 150x mehr Menschen gibt ist es nicht wirklich erstaunlich dass auch etwa 150x mehr Photovoltaik zugebaut wurde! Wir hinken also korrekt normiert überhaupt nicht hinter China her.

b) "35 GW, das sind 35 Atomkraftwerke!" - Was sagen Sie dazu?
Lösung Schön wärs - bei der Photovoltaik wird immer die Peak-Leistung angegeben, d.h. die 35 GW werden nur erzeugt wenn die Sonne scheint. Im Durchschnitt wird aufgrund von Nacht, Winter, schlechtem Wetter viel weniger erzeugt - in der Schweiz ca. ein Faktor 10 weniger, an sehr sonnigen Orten immer noch ca. 5x weniger.

Es geht sowieso nicht!

Atomunfall

Frau Aegerter hat ganz kurz die folgende Folie gezeigt und behauptet dass eine Strommangellage das grösste Risiko für unser Land darstelle, viel grösser als ein AKW-Unfall:

a) Wie wahrscheinlich ist laut der Grafik die Häufigkeit von AKW-Unfällen?
Lösung Laut Grafik passiert höchstens alle 300'000 Jahre in der Schweiz ein grosser Unfall, wobei die y-Achse noch unterbrochen ist, d.h. die Wahrscheinlichkeit ist laut der Grafik noch deutlich kleiner als 1:300'000 pro Jahr - wie klein genau lässt sich anhand der Grafik nicht sagen (womit man schon sieht dass es keine gute Grafik ist!).
b) Vergleichen Sie diese Zahl mit der historischen Realität - und vergleichen Sie die behaupteten Kosten in der Grafik mit der Realität!
Lösung Es gibt weltweit ca. 400 Atomreaktoren, die im Mittel seit ca. 40 Jahren in Betrieb sind, d.h. es gibt bisher etwa 16'000 Reaktor-Betriebsjahre. In dieser Zeit gab es zwei grosse Unfälle (Tschernobyl + Fukushima), d.h. die reale Wahrscheinlichkeit eines grossen Unfalls liegt historisch pro Reaktor und Betriebsjahr bei 1:8000. Für die 5 Schweizer Reaktoren zusammen ergibt diese ein Risiko von 1:1600 eines Unfalls pro Jahr, sofern man unterstellt dass unsere Reaktoren gleich sicher oder unsicher sind wie die der Welt - die Grafik ist also mindestens 200x zu optimistisch. Ich würde davon ausgehen dass bei uns das Risiko deutlich kleiner ist als in Tschernobyl (wo mit einem unsicheren Reaktortyp experimentiert wurde) und in Fukushima (weil es bei uns keine derartigen Erdbeben gibt), aber angesichts des hohen Alters unserer Atomkraftwerke scheint mir zuviel Vertrauen auch nicht angebracht. Genauere Zahlen zu den Reaktorbetriebsjahren finden Sie hier - aber lesen Sie den Artikel genau durch, und fragen Sie sich ob die "Berechnung" dieser Forscher wirklich Hand und Fuss hat!

Horrende Kosten

Frau Aegerter hat die folgende Folie gezeigt und darüber gesprochen dass die Integration von Flatterstrom die Kosten für die Netzstabilität erhöhen:

Dargestellt sind die sogenannten "Redispatch-Kosten", Kosten für kurzfristig vom Übertragungsnetzbetreiber angeordnete Massnahmen um die Netzstabilität zu garantieren - typischerweise indem ein Kraftwerk kurzfristig mehr oder weniger Leistung bereitstellen muss als geplant, um einen Engpass oder eine Überlastung zu verhindern. a) Die Aussage dazu war: "es kommen horrende Kosten auf uns zu" - was würden Sie ihr sagen?
Lösung 400 Millionen Euro pro Jahr dividiert durch 80 Millionen Köpfe = 5 Euro pro Kopf und Jahr. Horrende Kosten sehen anders aus! Falls tatsächlich horrende Kosten auf uns zukämen, müsste man andere Argumente und Zahlen dazu anführen.

b) Wie hoch waren wohl die Redispatch-Kosten im Jahr 2016 für Deutschland?
Lösung Wenn eine Grafik "vorzeitig" endet - wie hier im Jahr 2015, obwohl der Vortrag im Mai 2017 gehalten wurde, dann weiss man nicht so genau ob die Zahlen tatsächlich nicht vorhanden sind oder einfach nicht zu der politischen Botschaft passen... Die Zahlen für Deutschland liegen meines Wissens jetzt tatsächlich erst für die ersten 3 Quartale vor, aber das Jahr 2015 scheint eher eine Ausnahme als die Regel zu sein. Natürlich werden wir erst in ein paar Jahren ganz genau wissen ob das nun wirklich eine Ausnahme war oder nicht - aber für den Moment sieht es eher nach Ausnahme aus, insbesondere da die Netzbetreiber selber durch gezielten Netzausbau die Redispatch-Massnahmen überflüssig machen.

Noch mehr Kosten

Frau Aegerter hat mit der folgenden Folie gezeigt weshalb es sehr teuer wird die AKW zu ersetzen:

Der Ersatz von Beznau 2 erfordert demgemäss 342 Windturbinen, 10 Quadratkilometer Solarzellen und 800'000 Tesla Powerwalls a 9000.- CHF. Die Powerwalls alleine würden 7.2 Milliarden Franken kosten. Was würden Sie der Tesla-Fahrerin Aegerter sagen?
Lösung Erstens haben wir in der Schweiz viele Pumpspeicherwerke, so dass nicht einsichtig ist warum es überhaupt so viele Batteriespeicher brauchen würde. Zweitens hat die Tesla-Fahrerin bereits einen Batteriespeicher in der Garage, und es werden in Zukunft viel mehr so dass Elektromobile einen Teil der Speicherung übernehmen können - man braucht dann nicht unbedingt eine zweite Batterie. Und drittens muss man in solchen Fällen auf die "Erfahrungskurve" verweisen - ein Konzept der Ökonomen, das besagt dass Produkte billiger werden, wenn mehr davon hergestellt werden. Jede Verdoppelung der Produktion führt zu einer Kostenreduktion um z.B 20 Prozent (es könnten aber auch 10 oder 30% sein). Das Konzept greift auch bei der Photovoltaik. Genau derselbe Effekt wird auch bei Batterien eintreten, bzw. ist dort in vollem Gange, beispielsweise mit der Powerwall 2, die pro kWh schon nur noch halb so teuer ist wie die Powerwall 1 auf die sich Frau Aegerter (vermutlich) bezogen hat, und die Prognosen für zukünftige Kosten zeigen nur in eine Richtung - nach unten. Falls wir in 10 Jahren tatsächlich alle einen Batteriespeicher im Haus haben, dann wird er viel billiger sein als heute!

Was soll ich stimmen?

Was ist die richtige Antwort auf dem Stimmzettel - ja oder nein?
Lösung Darauf gibt es keine richtige Antwort - es ist egal was Sie stimmen (gestimmt haben), solange Sie handeln (Abstimmen ist nicht handeln!). Ich wurde von Freunden gefragt was sie stimmen sollen, und meine Antwort war: ersetzt lieber eure alten Glühbirnen durch LEDs statt "nur" ja zu stimmen... :-)